Geschichte, Geschichtswissenschaft, Geschichtsromane. Drei Begriffe die mich prägen. Als Masterstudentin der Geschichtswissenschaften frage ich mich häufig wie der Zugang zu der Vergangenheit besser gelingt. Auch beim Lesen von "Kinder ihrer Zeit" von Claire Winter war dies der Fall. So kam ich zu der Idee mich mit der Autorin zu unterhalten über diese Themen und ihr aktuellstes Buch.
1.
Frau
Winter, ich fange mal etwas anders mit dem Interview an. Was ist denn ihre
Meinung zu Geschichtsromanen? Finden Sie diese dienen nur zur Unterhaltung oder
haben auch einen historischen Mehrwert?
Ich persönlich
mag „Geschichtsromane“ auch als Leserin sehr gerne und finde, dass es immer
einen Mehrwert hat, auf diese Weise etwas über eine vergangene Epoche zu
erfahren. Vor allem, wenn die Autorinnen oder Autoren eine gute Recherche
betrieben haben. Ich glaube, dass die
Historie beim Lesen eines Romans in einer anderen Weise nachfühlbar und
erlebbar werden kann, gerade wenn man von einer spannenden Geschichte und ihren
Charaktere mit auf die Reise genommen wird. Dadurch kann vielleicht sogar erst
das Interesse an einer Zeit erweckt werden. Das habe ich selbst jedenfalls
schon so erlebt und wird mir auch oft von Leserinnen und Lesern berichtet.
2.
Wieso
interessiert sie die Nachkriegswelt besonders?
Einerseits
interessiert mich die Nachkriegszeit sicherlich sehr, weil es eine Zeit ist,
die ich noch aus Erzählungen von meinen eigenen Großeltern oder älteren
Verwandten kenne. Aber gleichzeitig hat mich auch schon immer dieser Gegensatz
fasziniert, dass die Nachkriegszeit diesen Anschein einer Stunde Null hatte, in
der alles neu und von vorne anfing, doch die Menschen natürlich das, was sie
zuvor erlitten, erlebt oder auch verbrochen hatten, mit in diesen Neubeginn
hineingenommen haben. In den 50er Jahren entstand durch den „Kalten Krieg“
außerdem eine neue Weltordnung mit gefährlich-politischen Konflikten, die
schließlich im Mauerbau in Berlin gipfelte. Es war einfach eine extrem
spannende und dramatische Zeit!
3.
In
ihren Romanen treffen Fiktion und Fakten zusammen. Was können sie den Lesern
über ihren Roman Kinder ihrer Zeit hierzu verraten?
Der
Roman spielt zu einem großen Teil im Berlin der 50er Jahre. Nachdem die DDR 1952 die Grenzen zur BRD
geschlossen hatte, war die Stadt bis zum Mauerbau in der einzigartigen
Situation, dass es zwei miteinander verfeindete Systeme in West- und Ost-Berlin
gab, man sich aber trotzdem noch frei, ohne größere Kontrollen zwischen den
beiden Stadtteilen hin- und her bewegen konnte. Die Menschen haben in dem einen
Teil gewohnt, in dem anderen gearbeitet, sie haben in West-Berlin eingekauft
und sind in Ost-Berlin zum Friseur gegangen und haben ihre Freunde und Familien
über die Sektorengrenzen hinweg besucht. Auf Grund dieser besonderes Situation
war Berlin gleichzeitig auch eine Hochburg der internationalen Spionage. Diese
historischen Begebenheiten spielen für „Kinder ihrer Zeit“ eine wichtige Rolle,
denn im Roman geraten die beiden Schwestern Emma und Alice in die politischen
Verstrickungen ihrer Zeit und schließlich auf gefährliche Weise zwischen die
Fronten der Geheimdienste ...
4.
Wie
viel Claire Winter ist in „Kinder ihrer Zeit“ wirklich drin? (Die Frage besitzt
sich auf die verschiedenen Sichtweisen der Charaktere)
Es
gibt insofern einen direkten persönlichen Bezug als ich für dieses Buch mit
vielen Zeitzeugen gesprochen habe, die damals bereits gelebt haben, auch mit
Menschen aus meiner eigenen Familie und dem Freundes- und Bekanntenkreis. Ihre
Schicksale und die oft dramatischen menschlichen Geschichten, die in diesen
Gesprächen an mich herangetragen wurden, haben mich entscheidend zu „Kinder
ihrer Zeit“ und den Charakteren dieses Romans inspiriert.
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